Labbes und das Wasser

Ein Riesenschnauzer sollte es sein- der erste eigene Hund, ein Wunschtraum und eine echte Herzensangelegenheit.Bei der Vorbereitung auf den neuen Weggefährten wurde schon vor Einzug des Hundes, Rosie Lukas eingeladen um alle Beteiligten kennen zu lernen.
Ich kenne Rosie schon seit ca. 7 Jahren als kompetente, einfühlsame und immer ehrliche Mensch- /Hundetrainerin. Nun sollte sie auch meinen Lebensgefährten kennen lernen, der sich seinen Wunschtraum nach einem eigenen Hund erfüllen wollte. Ich selber halte seit 1999 durchgehend eigene Hunde und hatte ein paar Monate zuvor meinen geliebten dreizehnjährigen Schäferhundmischling gehen lassen müssen.

Eigentlich wollte ich keinen zweiten Hund mehr. Auch und besonders keinen großen und schwarzen. Auch keinen Rüden unbedingt. Nach etlichen Jahren in verschiedenen deutschen Großstädten mit einem solchen Exemplar an meiner Seite wusste ich, was für Probleme dies mit sich bringt. Ich wusste auch wie viel Arbeit und Zeit man investieren muss um einen sozial gut verträglichen, gehorsamen und gut kontrollierten- kurz das Leben bereichernden Begleiter aus einem Welpen zu machen. Für mich war dies immer eine wunderbare Aufgabe; ich liebe Hunde und das Leben mit ihnen- in all seinen Facetten.
Rosie lernte meinen Lebensgefährten kennen und sie erfuhr, dass seine Wahl auf einen Riesenschnauzer gefallen war. Auch war schon klar, dass es ein Rüde werden sollte. Wir haben versucht, das Blatt in Richtung einer Hündin zu wenden, aber das war vergeblich.
Labbes zog Ende Mai bei uns ein.

Ein wirklich großer, 9 Wochen alter, 8 Kilo schwerer, lustiger und altersgemäß entwickelter Hund.Soweit, so gut. Schon am zweiten Tag bemerkten wir, dass er eine sehr große Passion für Wasser zu haben schien. Er trank alles!
Wir konnten kein Wasser mehr stehen lassen. Egal ob kleine Schale oder 5-Liter-Eimer…Labbes leerte sie in einem Zug.Blut- und Urinuntersuchungen, Ultraschall, spezielle weitere Blutuntersuchungen und Toleranztests bei Spezialisten, sogar ein MRT des Gehirns wurden gemacht. Der Hund war medizinisch gesehen gesund. Was hätten wir uns über einen Diabetes oder eine andere behandelbare Stoffwechselstörung gefreut.
Dazu kam, dass mein Lebensgefährte nach zwei Wochen schon bemerkte, dass so ein Hund ganz schön viel braucht. Er hatte sich darauf eingestellt, dass Labbes bei ihm mit zur Arbeit geht und ihn auf allen Wegen begleitet. Dies ist bei 36*C im Hochsommer für keinen Hund eine gute Idee, wenn dies heißt, dass der Hund auch mal im Auto warten muss. Einen Welpen kann man aber auch nicht alleine im Büro warten lassen, wo dauernd ein und aus gegangen wird und keiner Zeit hat, sich um die Bedürfnisse eines kleinen- noch nicht stubenreinen und mit vielen Flausen im Kopf bestückten- Hundes zu kümmern.
Also übernahm ich den Hund und investierte viel Zeit in ihn.

Rosie war eine stetige Begleiterin in dieser Zeit.Sie arbeitet mit mir und Labbes und auch mein Lebensgefährte nahm sich manchmal die Zeit, eine Stunde mit ihr zu trainieren.
Über die reine Arbeit mit dem Hund wurde Rosie für mich zu einer vertrauten und geduldigen, umsichtigen und einfühlsamen Beraterin. Labbes mit seinem „Wasserproblem“ und die Situation in welche uns die Anschaffung dieses Hundes gebracht hatte, drohte meine Beziehung zu zerstören. Wir gerieten dauernd in Streit.Der von mir eigentlich nicht gewollte Hund, war nun bei mir „hängen geblieben“ und mein Lebensgefährte hatte sich aus dieser Verantwortung heraus gezogen. Gleichzeitig war die Kommunikation über den allgemeinen Umgang mit dem Hund in Bezug auf Erziehungsfragen extrem anstrengend. Permanent durchbrach mein Lebensgefährte die mühsam aufgebauten Tabus wie das Beißen in Arme und Beine, Gegenstände oder das Anspringen und Rumgekläffe…..“das ist so süß und der will ja nur spielen.“

Vor meinem geistigen Auge sah ich einen unerzogenen, 50kg Riesenschnauzerrüden hinter einem kleinen schreienden Kind im Park her rennen weil er „ja nur spielen“ will….
Wir trafen uns häufiger mit Rosie und mein Lebensgefährte fühlte sich sicherlich nicht besonders wohl dabei. Wir zwei Frauen mit unserer großen Hundeerfahrung, mit unserer Konsequenz und permanenten Einflussnahme auf die Hunde waren bestimmt für einen hundeunerfahrenen, an sich sehr selbstbewussten und von sich überzeugten, stattlichen Mann in den Fünfzigern, sehr anstrengend.Er hatte das Gefühl, alles falsch zu machen. Er gab sich durchaus auch Mühe, aber die Vorstellung, die er von seinem Hund hatte, war einfach utopisch- ein Hund erzieht sich nicht von selbst zu einem angenehmen Gefährten! Das müssen wir als seine Besitzer tun und das bedeutet eine große Bereitschaft, sich auf den Hund einzulassen- nicht das umgekehrte zu erwarten.

Labbes wuchs und hatte mit fünfeinhalb Monaten fast dreißig Kilo, ein Stockmass von fast 60cm und immer mehr Kraft und Energie. Er begann, meinen alten, kleinen Hund zu mobben und über den Haufen zu rennen.Durch Rosie hatte ich gelernt, wie ich hierauf und auf seine Wasserobsession Einfluss ausüben konnte. Aber diese wurde überhaupt nicht weniger. Spaziergänge im Regen wurden zur absoluten Anstrengung- er leckte den Asphalt, die Büsche, die umstehenden Autos und Fahrräder ab. Von meinen ehemals geliebten Spaziergängen am Rhein konnte keine Rede mehr sein…es war eine dauerhafte Anstrengung. Dies alles neben der normalen „Hundeerziehung“ und neben einem fulltime-job in der Selbstständigkeit mit ca. 60 Arbeitsstunden pro Woche war zu viel.
Ich war am Ende meiner Kräfte und nicht mehr bereit noch mehr in diesen Hund zu investieren. Wir trafen die Entscheidung, Labbes zu seiner Züchterin zurück zu geben.

Rosie begleitete auch diesen Schritt und war mir eine große Unterstützung in dieser für mich sehr traurigen, aber richtigen Entscheidung.Labbes sucht nun Menschen, die sich um ihn mit seiner liebenswerten, gelehrigen, sehr lebendigen und stürmischen Art, mit allem was er als Riesenschnauzer nun mal ist, kümmern wollen und können. Seine Wasserobsession hat bis heute nicht vermindert. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen, dass er „seine Menschen“ findet.